
„Uns eint der Wille, neue Zuversicht zu schaffen.“
(sh. Ergebnisse der Sondierungen von CDU, CSU und SPD, S. 1)
Dr. Ralph Neuberth (Theologe, Systemischer Coach, ehem. Landesseelsorger der KLJB Bayern Coaching – Beratung – Training) und sein Brief an alle CSU-Bundestagskandidat*innen: aus Sorge um unsere Demokratie:
Ich bitte Sie ganz herzlich um Ihre Aufmerksamkeit für meine Gedanken und Bitten.
Das Ergebnis der Sondierungsgespräche macht mir Hoffnung, und ich denke das geht nicht nur mir so. Die Worte aus dem gemeinsamen Papier „Uns eint der Wille, neue Zuversicht zu schaffen“ sollten unbedingt Wirklichkeit werden.
Ich will ganz ehrlich sein: Ich bin überzeugter Sozialdemokrat bin fest davon überzeugt, dass das auch möglich sein wird in der Zusammenarbeit mit der Union. Und ich werde mich in meiner Partei auch dafür stark machen.
Damit dies gelingt, wende ich mich heute mit meinen Gedanken und Bitten an Sie, auch in Sorge um die Zukunft unserer Gesellschaft und Demokratie.
Unser Land braucht jetzt vernünftige Lösungen, die fachlich gut sind, sauber begründet und überzeugend vermittelt werden. Dieses Prinzip sollte über aller Parteipolitik stehen!
Verzichtet auf populistische Töne
Deshalb bitte ich Sie sehr herzlich, sich in Ihrer Partei dafür einzusetzen, dass auf populistische Töne verzichtet wird und beleidigende Äußerungen gegen andere demokratische Parteien unterlassen werden. Ich bitte Sie mitzuhelfen, wieder zu einer sachorientierten, fachkundigen und sehr klaren und entschlossenen Politik zu kommen. Der Auftritt von Markus Söder beim politischen Aschermittwoch war hier alles andere als dienlich und für mich angesichts der aktuellen Herausforderungen auch eine eklatante Themaverfehlung.
Das Sondierungspapier schafft erste Klarheit in wichtigen Punkten, auch in der lange Zeit so emotionalisierten Debatte um eine Begrenzung der Migration. Die angedachten Kompromisse erfordern Entgegenkommen von beiden Seiten. Ich bitte Sie herzlich, jetzt auch in der Sprache und Argumentation das dringende Zusammenspiel von Begrenzung einerseits und Stärkung der Integrationsmaßnahmen andererseits in den Mittelpunkt zu stellen.
Setzt das Gute fort
Dazu gehört es auch, nicht alles schlecht zu reden, was die bisherige Regierung auf den Weg gebracht hat, sondern das Gute fortzusetzen und an manchen Stellen nachzubessern. Das ist im Sondierungspapier zum Glück schon spürbar. Jetzt wäre es noch sehr hilfreich, das pauschale Abwerten von allem, was aus Berlin oder Brüssel kommt, abzulegen und stattdessen konstruktiv gemeinsame Lösungen zu erarbeiten und diese konsequent umzusetzen.
Redet über gelungene Integration
Auch der „Spurwechsel“, den die bisherige Regierung auf den Weg gebracht hat, sollte unbedingt fortgesetzt werden. So kann es gelingen, durch eine starke und handlungsfähige Regierung der Mitte der AfD ein zentrales Thema zu entziehen. Setzen auch Sie sich für eine gelingende Integration ein. Und reden Sie auch über gelungene Beispiele von Integration, über nachvollziehbare Gründe, warum Menschen zu Recht Schutz bei uns suchen, und dass unsere Lebensweise (Stichwort Klimawandel) dazu beiträgt, weitere Fluchtursachen zu schaffen, dass wir also hier konsequent umsteuern müssen.
Behandelt Menschen finanziell fair und gerecht
Helfen Sie mit, dass steuerliche Veränderungen für die Menschen als fair und ausgeglichen erkennbar sind: Wenn Abstriche beim Bürgergeld gemacht werden, sollte im Gegenzug auch ein maßvoll höherer Beitrag der Spitzenverdiener*innen auf den Weg gebracht werden.
Zeigt Geschlossenheit
Was mir sehr wichtig scheint: Die neue Bundesregierung wird nur mit einer starken gemeinsamen Position überzeugen und wird dafür eine echte Geschlossenheit brauchen. Bitte helfen Sie mit, dass nicht Querschüsse aus den eigenen Reihen die Glaubwürdigkeit der neuen Regierung schwächen, wie es in der Ampelregierung leider immer wieder passiert ist. Wenn sich die an den Start gehende Regierung erneut zerstritten zeigt und sich durch interne Querelen disqualifiziert, wird das unserer Demokratie massiv schaden und der AfD in die Hände spielen. Bitte helfen Sie mit, dass nicht Querschüsse aus München oder woher auch immer die Zusammenarbeit in Berlin belasten. Ich werde das in meiner Partei ebenfalls tun.
Besetzt die Ministerien mit den besten Köpfen
Setzen Sie für die Verantwortlichen und die Besetzung der Ministerien in der kommenden Regierung auf Sachverstand, Kompetenz und Erfahrung, z.B. auf Menschen wie Norbert Röttgen, einen erfahrenen Außenpolitiker.
Menschen wie Jens Spahn, der noch im vergangenen Herbst beim Parteitag der Republikaner in den USA Trump und Vance hofiert hat, sehe ich hierfür eher als nicht geeignet an. Und es wäre aus meiner Sicht auch verfehlt, einen Mandatsträger des Bauernverbands zum Landwirtschaftsminister zu machen. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, wie dann eine ausgewogene Politik für den ländlichen Raum möglich sein soll.
Kehrt wieder zur vielstimmigen CSU zurück
Und erlauben Sie mir noch einen Hinweis an die CSU als Partei und verstehen Sie mich dabei nicht falsch: ich halte die CSU als starke konservative Partei für einen ganz wichtigen Teil unserer Gesellschaft. Und genau deshalb möchte ich Ihnen meine Wahrnehmung von außen anbieten:
Als ehemaliger Landesseelsorger der KLJB Bayern bin ich ein großer Bewunderer von Alois Glück: Seine Weitsicht, seine Kompetenz und sein Mut, immer wieder auch für eine Pluralität in der CSU einzutreten, habe ich immer sehr geschätzt. Er hat beispielsweise ökologische Themen in den Fokus genommen zu einer Zeit, als das nicht „en vogue“ war. Ähnlich wie Josef Göppel und andere. Leider nehme ich derzeit keine solchen Stimmen in der CSU wahr. Wo ist die innerparteiliche Demokratie geblieben, wenn sich scheinbar niemand mehr traut, den Positionen von Herrn Söder zu widersprechen? Wer wagt es in die Zukunft zu schauen und die Möglichkeiten einer schwarz-grünen Zusammenarbeit voraus-zu-denken, statt sich in unsachlichem und teilweise diffamierendem „Grünen-Bashing“ zu üben? Ich bin überzeugt, dass es der CSU sehr gut anstehen würde, mehr- und vielstimmiger zu werden und halte das für die Zukunft jeder Partei für essentiell wichtig.
Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam zeigen können: Die starke Mitte schafft das! Und das ist ein aus meiner Sicht ein wesentliches Erfolgsrezept gegen die AfD! Viel erfolgversprechender auf jeden Fall, als den Themen und Tönen der Rechtsextremen nachzulaufen.
Auf Ihre Rückmeldung freut sich
Dr. Ralph Neuberth